Die Planung der Betriebsnachfolge nicht mit der Diskussion von Sachthemen beginnen


Von:  BV - Christian Müller & Isabel Birk / 17.11.2021 / 08:55


FRANKFURT. Die Suche nach einem Betriebsnachfolger ist generell nicht leicht – auch nicht im Maler- und Lackierhandwerk. Manche Unternehmerin oder Unternehmer zögert die Entscheidung hinaus und macht sich einfach zu spät auf den Weg. Während es viele positive Beispiele gibt, kennen Handwerkskammern und wir im Bundesverband Fälle, in denen sich die Übergabe später als missglückt herausstellte oder sie trotz aller Mühe noch in der Planungsphase „platzt“.


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  • Nicht immer läuft die Übergabe der Betriebsführung glatt über die Bühne. Ist der ideale Kandidat für die Nachfolge gefunden, sollten alle Beteiligten den Nachfolgeprozess gut planen, um Probleme zu vermeiden.

Dabei gibt es nicht nur Checklisten und Übergabepläne zu Hauf – bei den entsprechenden Beratern (auch der Kammern) und selbst im Internet (wenigstens zur ersten Orientierung). Dennoch kommt es auch bei bzw... trotz der Beratung zu Problemen, wie folgendem Beispiel aus der Praxis.

Der eigene Nachwuchs schmeißt frustriert hin

Ein seit 45 Jahren gut etablierter Malermeister und Betriebsinhaber beschäftigt sechs Mitarbeiter. Den 1910 vom Urgroßvater gegründeten Familienbetrieb übergibt er vor einiger Zeit an einen seiner Söhne. Übergangsweise arbeitet er noch operativ mit, wenn Hilfe benötigt wird. Nach seiner Sicht läuft alles reibungslos. Die Auftragslage ist gut, die Geschäftsbücher gefüllt.

Bewusst hält er sich in der Betriebsführung zurück, weil er klar seinem Sohn das Ruder überlassen hat. Nur wird dieser in den Wochen und Monaten nach der Übergabe gegenüber ihm und den Mitarbeitern merklich stiller im Umgang. Und dann kommt er quasi von jetzt auf gleich nicht mehr in den Betrieb, ja es herrscht, wie man sagen könnte, „Funkstille“, was sich niemand erklären kann und was für große Unruhe sorgt. Schließlich nimmt der Vater die Zügel wieder selbst in die Hand, holt sich aber externe Hilfe. Er wählt in Absprache mit allen Beteiligten ganz bewusst eine Mediation, um zu analysieren, was hier schiefgelaufen ist und ob sich auch mit Blick auf den Betrieb noch die Kehrtwende einleiten lässt.

In den gemeinsamen Terminen und durch die moderierte unterstützte Bearbeitung der Themen stellt sich schließlich heraus: Für die Mitarbeiter ist der Sohn als Juniorchef inkompetent, obwohl dieser mit dem Betrieb aufgewachsen ist. Sie nehmen ihn nicht als „richtigen“ Handwerker“ wahr, weil er „nur“ ein BWL-Studium abgeschlossen hat – und das auch noch im Ausland, sodass ihn mancher der Beschäftigten erst mit dem Einstieg in den Betrieb zum ersten Mal gesehen hat. Weiter gab es vor der Übergabe keine Gespräche oder eine Art der Kommunikation, die die Mitarbeiter über die in Zukunft geänderte Führungsposition informiert und/oder darauf vorbereitet hätten. Die Hypothesen über den Juniorchef verfestigen sich und gehen beispielsweise. so weit, dass sich Mitarbeiter in internen Gruppenchats schlecht über den Junior äußern.

Was lässt sich nun aus diesem Beispiel lernen?

Eine Übergabe ist differenziert, vielschichtig und ohne jede Patentlösung. Sie lässt sich mit einem Netz vergleichen: Zieht man an einem Faden, kommt ein ganzes System in Bewegung. Beim Herangehen konzentrieren sich viele Beteiligte mit Blick auf eine angestrebte Lösung jedoch oft nur auf typische Eckpunkte der Übergabe: Der Zeitfaktor, die Suche nach der/dem „perfekten“ Kandidat, Rechts-, Vertrags-, Steuer-, Bilanz- und Versorgungsfragen sowie den Unternehmenswert als Diskussionsgrundlage.

All diese Punkte berücksichtigen aber nur die Sachebene einer Übergabe. Einigungen, die auf dieser Basis getroffen werden, scheinen vordergründig die Wichtigsten. Daher werden sie oft als erstes bearbeitet. Sie stehen auch tatsächlich bei vielen Beratern an erster Stelle, weil diese meist lösungsorientierten Ansätzen folgen – und Zeit ist (auch) Geld. Langfristig zeigt sich eine solche Priorität aber als instabil, wenn nicht ein zweiter, wichtiger Aspekt der Übergabe an erster Stelle angeschaut wird: Die Beziehungsebene, die am Ende allen Sachfragen zugrunde liegt und sie erheblichen beeinflussen können.

In diesem Praxisbeispiel war die Chance versäumt worden, sich schon vor der Übergabe und im allerersten Schritt familiär und dann auch in Bezug auf die Mitarbeiter mit den unterschiedlichen Interessen bzw.. Bedürfnissen sowie Werten des Einzelnen offen und transparent auseinanderzusetzen. Was die Führungsänderung für das Rollenverständnis und das Wertesystem jedes Beteiligten bedeuten würde und welche Erwartungen jeder für sich damit verknüpft – vor allem, was aus Sicht der Einzelnen bei der Übergabe auf keinen Fall geschehen darf, wurde weder angesprochen noch reflektiert. Es kam ebenso wenig zur Sprache, ob und welche offenen und/oder geheimen Spielregeln existieren, wie es sie einfach in jedem Betrieb gibt. Anders ausgedrückt: Das Verständnis über die Zusammenarbeit einer Gruppe von Menschen unter der Gemeinsamkeit „Betrieb“ und ob möglicherweise noch versteckte kalte Konflikte unter einer scheinbar „reibungslosen“ und doch klar strukturierten und geregelten Oberfläche liegen.

Die wirksamste Vorbereitung einer Übergabe

Natürlich: Am Ende eines langen Prozesses soll natürlich eine erfolgreiche Übergabe stehen. Doch was „erfolgreich“ bedeutet, kann für jeden Beteiligten anders ausfallen: Für den einen ist es ein erzielter Unternehmenswert; für den anderen die Fortführung seines Lebenswerks, für den nächsten Mitarbeiter, die sich trotz und/oder wegen der neuen Führung dem Betrieb verbunden und sich in ihrer Arbeit wohl fühlen und sich entfalten können.

Will man also überhaupt von einer erfolgreichen Betriebsübergabe sprechen, so geht es nicht allein um ein Abarbeiten einer Sach- und Faktenlage oder um Zuständigkeiten, sondern als wertvolle Vorarbeit erst einmal darum, Interessenkonflikte, unterschiedliche Bedürfnisse, Konventionen und stillschweigende Vereinbarungen aufzudecken und im besten Fall aufzulösen. Stolpert man hier noch über Ecken und Kanten, ist der Übergang in die nächste Phase, nämlich der Verhandlungen über Fakten, nicht sinnvoll.

Wertvoll investierte Zeit für den ersten Prozessschritt

Mancher (auch Berater) wird einwenden, dass eine gewisse Auseinandersetzung mit Blick gerade auf die Beschäftigten nicht und zeitlich nicht umsetzbar ist. Man muss sich aber vor Auge halten:

Die Wiederbesetzung einer freien Stelle im Handwerk im gewerblichen Bereich liegt etwa bei 35 bis 40 Tagen und die Kosten für die externe Personalbeschaffung einer Stelle bei etwa 10.500 Euro [1]. Eine missglückte Übergabe mit erneuter Suche nach einem Nachfolger wird zu weit höheren Kosten führen. Daraus entstehen auch Konfliktkosten, und zwar in drei Dimensionen [2]:

  • der Person (durch Krankheit, Fluktuation, kontraproduktives Verhalten),
  • dem Team (Kundenfluktuation, Projektmängel, entgangene Aufträge) und
  • der Organisation (Über-/Unterregulierung, arbeitsrechtliche Folgen/Sanktionen, Anpassung von Anreizsystemen)

Bundesverband gibt hierzu auch Hilfestellung

Wer sich mit dem Gedanken über eine Betriebsübergabe trägt, dem kann aus Gründen der Wirksamkeit und damit auch dem zu erreichenden Ziel nur empfohlen werden, sich in einem klärenden, präventiven Prozess mit seinen Erwartungen, Vorstellungen, Werten etc.. und auch denen potenzieller Kandidatinnen und Kandidaten auseinanderzusetzen. Auch wenn dieser zunächst einmal völlig ergebnisoffen verläuft, bringt er aber unter Umständen all das zu Tage, was sich im schlechtesten Fall erst nach der Übergabe massiv niederschlägt.

Redaktioneller Hinweis: Wenn Sie hierzu Anregungen brauchen und/oder praktische Prozessbegleitung in Anspruch nehmen möchten, dann sprechen Sie mit der Gewerbespezifischen Informationstransferstelle im Bundesverband, Isabel Birk (→ E-Mail, Telefon: 069 66575-330).


[1] Erhebung Bundesinstitut für Berufsbildung (BiBB) zum Kosten/Nutzen der betrieblichen Ausbildung 2017/18

[2] KPMG, Konfliktkostenstudie, 2009


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