Die 15 größten Irrtümer zum Arbeitsrecht (I): Jahresurlaub und Weihnachtsgeld


Von:  BV - Thomas Nonas (Syndikusrechsanwalt) / 08.09.2021 / 07:54


FRANKFURT. Thomas Nonas, Syndikusrechtsanwalt des Bundesverbandes, hat als Fachanwalt für Arbeitsrecht die 15 größten Irrtümer zu seinem Fachgebiet zusammengetragen. In der ersten von drei Folgen stellen wir fünf gängige Missverständnisse vor, die Mitarbeiter häufig annehmen, so aber nicht zutreffen – vom Übertrag des Jahresurlaubs bis zum Weihnachtsgeld.


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  • Automatischer Anspruch auf Weihnachts- und Urlaubsgeld? Syndikusrechtsanwalt Thomas Nonas erklärt in unserer kleinen sechswöchigen Serie die 15 größten Irrtümer des Arbeitsrechts.

Irrtum Nr. 1: Nicht genommener Jahresurlaub von kaufmännischen und nicht am Malerkassensystem beteiligten Mitarbeitern kann ohne Weiteres auf das Folgejahr übertragen werden

Falsch. Der Arbeitnehmer muss den ihm zustehenden Jahresurlaub grundsätzlich bis zum Jahresende genommen haben. Andernfalls verfällt er nach gesetzlicher Regelung ersatzlos. Eine Übertragung des Urlaubs ins nächste Jahr ist nur möglich, wenn der Urlaub aus dringenden betrieblichen oder persönlichen Gründen nicht genommen werden kann. Dringende betriebliche Gründe liegen z. B. vor, wenn eine besonders arbeitsintensive Zeit bevorsteht (beispeilsweise die Vorbereitung einer Messe) oder bereits anderen Arbeitnehmern Urlaub gewährt worden ist und auf den Arbeitnehmer nicht verzichtet werden kann. Im Falle der Übertragung wird der Urlaubsanspruch nur bis zum 31. März des Folgejahres verlängert.

Achtung: Das gilt nach einer neuen Entscheidung des Europäischen Gerichtshof und darauf folgend des Bundesarbeitsgerichts aus dem Jahre 2019 aber nur dann, wenn der Arbeitgeber auf drohenden Verfall „konkret und in völliger Transparenz“ hingewiesen hat und damitdafür gesorgt hat, dass der Mitarbeiter seinen Urlaub nehmen kann.

Irrtum Nr. 2: Wer an Sonn- und Feiertagen arbeitet, kann immer einen Lohnzuschlag verlangen

Auch falsch. Es besteht kein gesetzlicher Anspruch auf einen Zuschlag für Sonn- oder Feiertagsarbeit. Nach dem Arbeitszeitgesetz steht dem Arbeitnehmer als Ausgleich für Sonn- und Feiertagsbeschäftigung lediglich ein Ersatzruhetag zu, der vom Arbeitgeber für Sonntagsarbeit innerhalb von zwei Wochen und für Feiertagsarbeit innerhalb von acht Wochen zu gewähren ist. Ein Anspruch auf Zuschläge für Sonn- und Feiertagsarbeit steht dem Arbeitnehmer nur zu, wenn der Arbeitsvertrag oder der einschlägige Tarifvertrag – wie bei uns für gewerbliche Arbeitnehmer – eine entsprechende Vereinbarung enthält, wenn sich der Anspruch aus betrieblicher Übung ergibt oder eine entsprechende Betriebsvereinbarung geschlossen wurde.

Irrtum Nr. 3: Ärztliches Attest erst nach drei Tagen Krankheit

Das ist nicht in jedem Fall richtig. Kraft Gesetzes muss der Arbeitnehmer dem Arbeitgeber spätestens am vierten Tag der Arbeitsunfähigkeit eine ärztliche Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung vorlegen. Allerdings kann vom Arbeitgeber die Vorlage einer Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung auch schon ab einem früheren Zeitpunkt verlangt werden. Zu beachten ist aber, dass die Vorlage nicht am gleichen Tag erfolgen muss. Die Bescheinigung muss auf Verlangen nur den ersten Tag abdecken. Sie muss dann aber erst am zweiten Tag beim Arbeitgeber vorliegen.

Irrtum Nr. 4: Ein Arbeitsverhältnis kann nur bis zu dreimal hintereinander befristet werden

Nicht immer richtig. Man muss vielmehr zwischen der Befristung des Arbeitsvertrags mit und ohne sachlichen Grund unterscheiden. Ohne Grund geht tatsächlich nur die dreimalige Verlängerung bis zur Gesamtdauer von zwei Jahren. Bei einer Befristung mit sachlichem Grund, etwa als Krankheitsvertretung, besteht gesetzlich keine Beschränkung auf eine bestimmte Anzahl von Befristungen. Der Befristungsgrund bei einer Zeitbefristung (es endet zu einem bestimmten Datum – Beispiel: „… bis zum 31.12.2022 befristet“) mit Sachgrund i.S.d. § 14 Abs. 1 TzBfG muss allerdings nicht im Arbeitsvertrag stehen. Kann der Arbeitgeber – ohne dass es aus dem Arbeitsvertrag deutlich wird – beweisen, dass für die Befristung ein sachlicher Grund i.S.d. § 14 Abs. 1 TzBfG besteht, reicht dies aus.

Das gilt aber nicht bei einer Zweckbefristung, das Arbeitsverhältnis also mit Erreichen eines bestimmten Zwecks endet (z.B. Schwangerschaftsrückkehr der vertretenen Mitarbeiterin – Beispiel: „… zweckbefristet als Elternzeitvertretung für Frau Mustermann eingestellt. Kehrt Frau Mustermann nach Ablauf der Elternzeit an ihren Arbeitsplatz zurück, endet das Arbeitsverhältnis zu diesem Zeitpunkt, ohne dass es einer Kündigung bedarf“). Dann muss der Befristungsgrund natürlich angegeben werden sonst wäre der Zweck und damit ein Ende überhaupt nicht definiert.

Irrtum Nr. 5: Jeder Arbeitnehmer hat Anspruch auf Urlaubs- & Weihnachtsgeld

Nicht richtig. Es besteht kein gesetzlicher Anspruch auf Urlaubs- oder Weihnachtsgeld. Eine solche Sonderzuwendung an den Arbeitnehmer muss der Arbeitgeber nur zahlen, wenn dies im Arbeitsvertrag, im Tarifvertrag oder in einer Betriebsvereinbarung geregelt ist. Unser Tarifvertrag über die Weihnachtszuwendung ist nicht allgemeinverbindlich, sodass dieser nur gilt, wenn Arbeitnehmer und Arbeitgeber tarifgebunden sind oder die Anwendung des Tarifvertrages über die Weihnachtszuwendung vertraglich vereinbart ist.

Auch durch betriebliche Übung kann für den Arbeitnehmer ein Anspruch auf die Sonderzuwendung bestehen. Dieser Fall tritt ein, wenn der Arbeitgeber die Gratifikation über einen längeren, mindestens drei Jahre dauernden Zeitraum ohne den Vorbehalt der Freiwilligkeit gezahlt hat. Zudem kann auch der innerbetriebliche Gleichbehandlungsgrundsatz zu einem Weihnachtsgeldanspruch des Arbeitnehmers führen. Dies ist dann der Fall, wenn einer bestimmten Gruppe eine Weihnachtszuwendung gewährt wird, während einige Mitarbeiter dabei außen vor bleiben. Der Arbeitgeber muss diese Leistungen grundsätzlich so gewähren, dass kein Arbeitnehmer ungerechtfertigt benachteiligt wird. Letztendlich kann auch eine, mit dem Betriebsrat geschlossene Betriebsvereinbarung eine Weihnachtszuwendung auslösen.

Redaktioneller Hinweis: Die nächste Folge "Die größten Irrtümer zum Arbeitsrecht (II)" wird in zwei Wochen veröffentlicht.


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